Blaue Feuerwehrautos?
22. April 2015„Ganz schön was los hier!“
3. Mai 2015Eingeschränkte oder absolut keine Sicht – damit hat die Feuerwehr des Öfteren zu kämpfen. Sei es aufgrund der Atemschutzmaske oder weil das brennende Zimmer so stark verraucht ist, dass man nicht mal mehr die Hand vor Augen sieht. Zum Glück ist dieser Zustand nur von kurzer Dauer. Denn spätestens im Freien und ohne Maske sehen die Feuerwehrmänner und -frauen wieder klar.
Es gibt aber auch Menschen die dauerhaft blind oder sehbehindert sind. Um den Jugendlichen der Jugendfeuerwehr Stuttgart einen Einblick in ihr ganz alltägliches Leben zu gewähren wurden im Frühling, zusammen mit dem Verein „aus:sicht e.V.“, mehrere Dunkelsensibilisierungs-Seminare abgehalten. Denn seit dem Jahr 2013 beschäftigt sich die Jugendfeuerwehr Stuttgart mit dem Thema „Vielfalt und Inklusion“ gefördert durch die Deutsche Jugendfeuerwehr im Rahmen des “Tandem-Vielfalt-Projekts“.
Jedes Seminar beginnt im Stuhlkreis bei dem sich alle vorstellen. Schon wenige Minuten später werden Masken verteilt und aufgesetzt mit denen man absolut nichts mehr sieht, denn jetzt geht es ums hören. Ist es Papier das zerrissen wird? Ein Klettverschluss? Oder eine raschelnde Rettungsdecke? Vieles wurde von den Kindern und Jugendlichen richtig erraten. Nachdem dann alle „aufgewärmt“ waren wurden in Kleingruppen verschiedene Stationen abgearbeitet.
Das Blind nicht gleich Blind ist, darum ging es an der ersten Station. Verschiedene Brillen simulierten dort Sehbehinderungen wie einen Tunnelblick oder eine Sehkraft von nur 2% anstatt der üblichen 100%. Auch das räumliche Sehen war stark eingeschränkt. Mit diesen Brillen galt es dann eine Einkaufsliste zu schreiben oder sich langsam durch den Raum zu bewegen ohne sich anzustoßen. Um überhaupt etwas lesen zu können mussten sich viele so weit vorbeugen, dass sie fast mit der Nase das Blatt berührten und auch das ein oder andere Schienbein erhielt einen blauen Fleck.
Wer nicht sieht muss sich zwangsweise auf seine anderen Sinne verlassen. Um „fühlen“ und „riechen“ ging es bei der zweiten Station. Von Alltagsgegenstände wie einer Wäscheklammer bis zu Holztieren mussten verschiedene Dinge ertastet werden. Auch das bezahlen mit Münzgeld wurde geübt. Später dann zog der Geruch von Kaffee oder Waschmittel durch das Zimmer.
Heutzutage gibt es die meisten Bücher zum Glück auch als Hörbuch zu kaufen. Aber auch Blinde und Sehbehinderte können lesen und schreiben – dank der Brailleschrift. Um die ging es bei der dritten Station: Wer wollte durfte seinen Namen oder einen Satz mit einer speziellen Schreibmaschine für Brailleschrift schreiben. Andere versuchten sich daran, Sprichwörter und andere Sachen aus der Brailleschrift in die normale Druckschrift zu übertragen. „Das ist fast wie ein Geheimcode“, bemerkt Jonathan, 11 Jahre.
Dank moderner Sprachsoftware und speziellen Geräten ist es auch blinden und sehbehinderten Menschen möglich am Computer zu arbeiten. Diese Station wurde von Florian betreut. Er ist 20 Jahre alt und hat dieses Jahr sein Abitur geschrieben. Dass er auf eine ganz normale Schule geht konnte manch einer am Anfang gar nicht glauben. Aber mit der Hilfe seiner Klassenkameraden und eines FSJlers ist auch das möglich. Er zeigte den Jugendlichen auch, dass er ein ganz normales Smartphone hat, das aber mit einer speziellen Software ausgestattet ist die ihm jeden Menüpunkt oder Buchstaben vorliest.
Auch das gehen am Langstock, so heißt der Blindenstock nämlich richtig, will gelernt sein. An der letzten Station konnten die Jugendlichen dabei versuchen nicht die Orientierung zu verlieren oder Treppen zu steigen. Viele machten auch die Bekanntschaft mit den Wedeln einer Palme die in den Weg hingen und mit dem Stock nicht zu ertasten waren.
Dann wurden die Rollen getauscht. Die Jugendlichen sollten den Mitgliedern von „aus:sicht e.V.“ ein Feuerwehrfahrzeug und seine Ausrüstung erklären. Was auf Feuerwehrfesten locker von der Hand geht gestaltet sich plötzlich sehr schwierig, wenn das Gegenüber nicht sehen kann. Also wurde viel ertastet und gefühlt, wie zum Beispiel die Struktur eines Schlauchs oder die Drehräder an der Pumpe. Auch das Atemschutzgerät wurde ausgiebig erklärt sowie aus- und anprobiert. Und zu guter Letzt durfte noch etwas mit dem Strahlrohr gespritzt werden. dabei blieb dann auch nicht jeder trocken.
Zum Abschluss ging es in den Keller der Feuerwache 2. Dieser war so stark abgedunkelt, dass man absolut nichts mehr sah. In einer Polonaise wurden die Jugendlichen von einem Blinden an ihre Plätze geführt. Dort gab es dann einen kleinen Snack. Aus was er bestand musste natürlich erraten werden. Auch künstlerisch wurde sich betätigt. Was dabei herauskam kann man im Tageslicht durchaus als „moderne Kunst“ bezeichnen. Andere wiederum konnten auch im dunkeln wunderbar zeichnen.
Am Ende waren dann alle froh wieder am Tageslicht zu sein, auch wenn sich die Augen erst wieder daran gewöhnen mussten.
Und zu guter letzt bedankte sich Stadtjugendfeuerwehrwart Matthias Neef bei den Mitgliedern von „aus:sicht e.V.“ für ihr großartiges Engagement und wünschte ihnen weiterhin viel Spaß bei den von ihnen veranstalteten Seminaren.